Page 24 - OSP Einblicke 2-2021
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Was kommt nach dem Sport? – Tanja Damaske im Interview


         „Es sind andere mentale Ansprüche an die

         Sportler*innen entstanden” // Interview: Cäcilia Fischer




               anja Damaske ist der große Wurf längst gelungen. Die Ostberlinerin wurde 1998 Europameisterin
               im Speerwurf. Fünf Jahre später musste sie  ihre Sportkarriere verletzungsbedingt beenden, der
         T Leichtathletik ist sie jedoch treu geblieben. Als Beraterin der Kommission Leistungssport des DLV
         und als Sportpsychologin kümmert sich die 50-Jährige um die mentale Stärke der Athletinnen und Ath-
         leten. Hauptberuflich arbeitet „die Meisterin der Konzentration” als Psychologin bei der Bundeswehr in
         Strausberg.



         Tanja, Sie waren 2021 in Tokio das erste Mal als Betreuerin   Lastet unabhängig von Corona heute ein anderer menta-
         bei Olympia dabei. Wie haben Sie die Spiele erlebt?  ler Druck auf den Athletinnen und Athleten?
         Ich hatte genug zu tun. (lacht) Unter den gegebenen Umstän-  Jetzt sind definitiv andere Zeiten. Früher hat der Trainer ge-
         den waren es aber schöne Spiele. Die Sportler waren mit Lei-  sagt, was zu machen ist, und man machte es. Vieles war uns
         denschaft dabei und die Japaner haben sich Mühe gegeben.   als Sportlern nicht wichtig und das System war natürlich auch
         Sicherlich waren es keine Spiele wie sonst. Die Zuschauer fehl-  ein anderes. Jetzt denken die Athleten mehr mit und bean-
         ten definitiv, aber es war gut und wichtig, dass Olympia dieses   spruchen mehr Mitsprache, was auch gut ist. Die Ernährung,
         Jahr stattfand.                                      Regeneration, das Material und die Techniken sind wichtiger
                                                              denn je. Es ist alles noch wissenschaftlicher geworden. Hin-
         Welche  Auswirkungen  der  Corona-Pandemie  haben  Sie   zu kommen die Sozialen Medien, die zusätzlich Druck auf die
         bei den Athleten und Athletinnen beobachtet?         Athleten ausüben können. Dadurch sind natürlich auch ande-
         Zu Beginn gab es viel Unsicherheit bei den Sportlern.        re mentale Ansprüche an die Sportler entstanden.
         Dadurch, dass sie durch das System der Wett-
         kämpfe von Sponsoren abhängig sind, ist                             Bereits während Ihrer Sportkarriere
         ja ihre Finanzierung zum Teil weggebro-                               haben Sie  entschieden,  sich darum
         chen. Ihre Alltagsstrukturen haben sie                                 hauptberuflich zu kümmern.
         aber zumindest mental gerettet.                                         Ja, ich habe parallel Psychologie stu-
                                                                                  diert und wusste, dass ich später in
         Sind Sportlerinnen und Sportler                                          dem Bereich der Sportpsychologie
         generell besser für Krisenzeiten                                         arbeiten will. Man sollte als Sportler
         gewappnet?                                                               nicht einfach abwarten, was nach der
         Sie haben sich eine gewisse Resilienz                                    Karriere  kommt.  Man  braucht eine
         aufgebaut und gelernt, mit Rückschlä-                                   neue Orientierung, am besten schon
         gen umzugehen, keine Frage. Das hilft                                  vorher.
         natürlich auch in der Corona-Krise.
                                                                                 Eine Sportkarriere kann auch plötz-
         Was sagen Sie zur US-Turnerin Si-                                       lich durch  Verletzungen beendet
         mone Biles, die sich bei Olympia                                        werden, wie Sie es selbst erlebt ha-
         2021 öffentlich dazu bekannt hat,        „Ich staune,                   ben.
         ausgebrannt zu sein?                                                    Das stimmt. Mir ist die linke Achil-
         Dass es so weit gekommen ist, ist na-  dass man nicht noch              lessehne zweimal innerhalb von 13
         türlich traurig.  Auf  der  anderen Seite                               Monaten gerissen! Und mit meiner
         ist es gut, dass darüber gesprochen     weiter wirft“                   Schulterverletzung war dann auch das
         wird. Wir beim DLV haben auch über-                                     Werfen nicht mehr möglich. Ich hätte
         legt, warum jetzt so viele Sportler im mentalen Grenzbereich   sicher noch ein paar Jahre erfolgreich absolvieren können,
         sind. Durch Corona kam es zur Olympiaverschiebung, so dass   aber es sollte nicht sein.
         die Sportler zwei Jahre lang auf einem hohen Level bleiben
         mussten. Klar haben viele zwischen 2020 und 2021 pausiert,   Sind die Speerwurfweiten von heute mit früher vergleich-
         aber nicht mental. Das Runterkommen nach der Saison fehlte,   bar?
         und deshalb war es aus meiner Sicht zu viel für die meisten.   Schwer zu sagen, denn da spielt vieles mit hinein. Ich selbst
         Wären die Spiele ein drittes Mal verschoben worden, wären   habe damals 70,10 Meter geworfen. Dann gab es eine Schwer-
         sicher viele ausgefallen.                            punktverlagerung beim Speer, so dass man weniger  Weite




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