Page 48 - OSP Magazin 1 - 2024
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HELDEN DER HAUPTSTADT
Angelina Köhler: Die Weltmeisterin,
die das Schwimmen hasste
Im Leben der Weltklasse-Schwimmerin lief nicht immer alles perfekt. Wie sie es trotzdem geschafft hat,
ihre Ziele zu erreichen.
Bora, Bora, das ist so eine Sache von früher. Die „Ich werde mir die Seele aus dem Leib schwim-
Mutter hat es verraten, noch dazu ganz öffent- men“, sagt Köhler bei „Helden der Hauptstadt“,
lich im Fernsehen. Eigentlich hatte Familie Köhler dem Podcast des Berliner Olympiastützpunkts in
die Südseeinsel mal als Destination ausgegeben, Kooperation mit der Berliner Morgenpost.
wenn Tochter Angelina tatsächlich irgendwann Trotzdem geht es auch darum, alles ganz bewusst
Weltmeisterin werden sollte. Ein Traumziel als zu genießen. „Ich will alles aufsaugen, die ganze
Belohnung für einen Traum, der sich erfüllt. Die Atmosphäre. Das wird ein einzigartiger Moment
23-Jährige lacht. „Mein Vater hat das immer so ge- meines Lebens“, so die Schmetterlings-Spezialis-
sagt. Aber jetzt wurde sehr viel für Paris investiert“, tin, die zum ersten Mal bei den Spielen dabei sein
erzählt sie. wird. In Tokio 2021 hätte sie schon starten sollen,
wurde aber vor der entscheidenden Qualifikation
Auch eine schöne Stadt, krank. Das bezeichnet sie als die größte Niederlage
teuer zumal. Doch ihrer bisherigen Karriere. Weil Olympia ihr so viel
Olympia treibt die bedeutet.
Preise erst richtig in
die Höhe. Aber egal, An das Gefühl von damals kann sie sich noch
Angelina Köhler heute genau erinnern. „Da ist für mich eine Welt
ist als Schwimm- zusammengebrochen. Ich wollte nicht mehr in die
Weltmeisterin Halle gehen, habe gedacht, ich hasse das Schwim-
qualifiziert für das men“, blickt sie zurück. Acht Wochen dauerte es,
Sportspektakel bis sie alles verarbeitet hatte – und bereit war
im Sommer, da durchzustarten. Sogar einen kompletten Neu-
scheut die Fami- anfang zu wagen, wegzugehen aus Hannover, wo
lie keine Kosten, die Trainingsgruppe sich auflöste, und im Sommer
um die Berlinerin bei 2022 nach Berlin zu ziehen.
ihren Rennen vor Ort zu
unterstützen. Seitdem begann eine Erfolgsgeschichte, die sich
Angelina Köhler kaum schöner hätte ausden-
ken können. Mit dem vorläufigen Höhenpunkt
im Februar, als sie in Doha über die 100-Meter
Schmetterling zum WM-Titel schwamm. Bereits im
Halbfinale sicherte sie sich den deutschen Rekord
mit der Weltklassezeit von 56,11 Sekunden. Es war
der erste Titel im Becken bei den Frauen seit 2009.
Sie fährt also unter ganz anderen Vorzeichen nach
Paris. In Tokio wäre die Berlinerin ein Nobody ge-
wesen. Jetzt schauen alle auf sie.
Die Aufmerksamkeit kam abrupt, und Angelina
Köhler tat sich schwer damit, das zu handha-
ben. Sie hatte viel an sich gearbeitet, um ihr
Selbstwertgefühl zu verändern. Sie such-
te den Menschen hinter der Sportlerin,
wollte sich nicht mehr nur über Leistung
definieren. Das war ein langer Prozess.
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