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Was kommt nach dem Sport? – André Niklaus im Interview
„In Berlin geht verdammt viel” // Interview: Sven Ibald
ndré Niklaus war einer der besten Zehnkämpfer des Landes. Nach fast zehn Jahren in der Wirtschaft ist der 40-Jähri-
ge wieder zurück im Berliner Sport und seit Jahresbeginn Bundesstützpunktleiter Leichtathletik. André Niklaus lebt
A mit seiner Frau Ilka, der ehemaligen Beachvolleyballerin Ilka Semmler, und seiner drei Jahre alten Tochter Sofia in
Weißensee. Zu seinen größten sportlichen Erfolgen zählen der siebte Platz bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking und
der fünfte Rang bei der WM ein Jahr zuvor in Osaka, wo er mit 8371 Punkten seine Bestleistung erzielte. In der Halle wurde
der Berliner 2006 Siebenkampf-Weltmeister.
2013 hast Du Deine Karriere beendet. Wann ist Dir be- Du hast nach dem Abschluss des Studiums im Marketing
wusst geworden, dass Dein Leben als Leistungssportler eines Unternehmens gearbeitet und dich schließlich als
zu Ende geht? Finanzmakler selbstständig gemacht. Dein Traumberuf?
„Nachdem ich verletzungsbedingt die Heim-WM 2009 ver- „Ja, das war mein Ziel. Ich habe damals mit einem Augenzwin-
passt hatte, wollte ich unbedingt zurückkommen. Die Olympi- kern gesagt, dass es drei unterschiedliche Sportlertypen gibt:
schen Spiele 2012 waren das große Ziel. In einzelnen Diszipli- Wenn man das erste Geld verdient hat, trägt es der eine an
nen lief es auch wieder richtig gut. Aber Zehnkampf-Training die Bar, der andere kauft sich eine Playstation und der dritte
in der vollen Belastung – das war irgendwann einfach nicht legt das Geld an. Ich habe es damals schon als junger Sportler
mehr drin. Es war ein schleichender Prozess, der mir aber angelegt.“
geholfen hat, mich auf das Leben danach vorzubereiten. Ich
konnte endlich mein Studium gut koordinieren. Mit zehn, Was hast Du aus dem Leistungssport mit in Deinen heu-
elf Trainings-Einheiten pro Woche war daran nicht tigen Beruf genommen?
zu denken. Mein Fernstudium ‚Internationa- „Strukturiert zu arbeiten, zum Beispiel – nicht
les Management‘ hat dann richtig Fahrt nur punktuell, sondern über Wochen und
aufgenommen.“ Monate. Und dass eine gute Gruppe,
ein richtiges Team einen Mehrwert
War es schwer, als 32-Jähriger von bringt. Man hat schnell im Business
vorn zu beginnen? gemerkt, dass es da viele Egoisten
„Besonders wichtig ist es zunächst gibt, die zwar immer von ‚Team-
einmal, einen Wettkampf zu finden, spirit‘ sprechen, aber am Ende
mit dem man mental abschließt. geht die Tür zu. Es gehört schon
Diesen einen Stabhochsprung- ein bisschen mehr dazu, ein echtes
Wettkampf – Stabhochsprung war Team aufzubauen. Da reicht nicht
ja immer meine große Liebe – hatte ein einzelnes Teambuilding-Event am
ich glücklicherweise 2013. Obwohl es Wochenende. Das Zwischenmensch-
zunächst nicht wie geplant lief. Eigentlich liche, mit vielen Leuten gut klarzukom-
wollte ich bei einem Wettkampf im Berliner men, das habe ich im Sport gelernt. Ebenso
Jahn-Sportpark meine Karriere beenden. Dort bin die Leidensfähigkeit und Belastbarkeit. Ehemalige
ich zu Beginn meiner Laufbahn Deutscher U20-Meister ge- Spitzensportler können eher ans Limit gehen. Zumindest
worden. Doch an dem Wochenende stürmte es wie verrückt, körperlich.“
erstmals in meiner 15 Jahre langen Karriere musste ein Wett-
kampf abgebrochen werden. Zwei Wochen später war es aber Mental nicht?
so weit. Strahlender Sonnenschein im Potsdamer Luftschiff- „Da besteht eine gewisse Gefahr. Sportler, die es gewohnt
hafen. Ich hatte wahnsinnige Angst vor einem ‚Salto nullo‘, sind, über Grenzen zu gehen, wollen dann auch gleich im neu-
habe aber noch einmal die 4,50 Meter übersprungen und en Job Vollgas geben – und übertreiben es dann. Die geistige
bin dann sofort ausgestiegen. Danke, das war’s, Haken dran! Belastung hat man im Sport vielleicht nicht immer so gespürt.
Ein wunderschöner Haken. Ich habe geheult wie ein Schloss- Und dann kann es im Job für die besonders Euphorischen
hund, aber es war herrlich.“ gefährlich werden. Ich habe es damals recht kontrolliert hin-
bekommen. In Wellenbewegungen. Es war mir immer wichtig
Wie ging es dann weiter? zu sagen: Okay, ich habe das Ziel vor Augen, dafür wird ge-
„Der Plan war, erst einmal so richtig im Berliner Nachtleben kämpft. Aber dann guckst du mal, dass du danach auch wie-
aufzudrehen. Ich hatte mir dafür eineinhalb Monate freigege- der ein bisschen den Fuß vom Gas nimmst.“
ben, um dann einen Monat bis zur nächsten Klausur zu haben.
Ich hatte tatsächlich diesen strikten Zeitplan, und den habe Was macht den Übergang ins Berufsleben noch schwierig?
ich eingehalten. Ich habe dann in einem halben Jahr ein Drit- „Als Sportler lebst du mit und von Emotionen. Und das geht
tel meines gesamten Studiums gemacht.“ im Beruf total verloren. Es geht einfach nicht mehr oder nur
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