Page 42 - OSP Einblicke 2-2022
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Sportpsychologische Aspekte nach



            dem Karriereende





                                                                               Wettkampffahrten oder anderen
                                                                               sportbezogenen Terminen. Die
                                                                               Sportler*innen erleben keinen
                                                                               sportlichen Leistungsdruck mehr
                                                                               und einen Gewinn an Zeit und an
                                                                               Autonomie, was jedoch nicht von
                                                                               allen gleich gut genutzt wird. Dem
                                                                               Gewinn an Zeit und Autonomie
                                                                               steht meist ein Verlust vieler so-
                                                                               zialer Kontakte mit Trainer*innen,
                                                                               Mannschaftskamerad*innen und
                                                                               dem erweiterten sportlichen Um-
                                                                               feld gegenüber. Ebenso gibt es
                                                                               auch einen Verlust an öffentlicher
                                                                               Aufmerksamkeit und Medienprä-
                                                                               senz.

                                                                               Plötzlich ist man ein „normaler
                                                                               Mensch“! Es findet ein Rollen-
                                                                               wechsel statt, der von manchen
                                                                               Athlet*innen mit einem Wechsel
                                                                               von einer öffentlich angesehenen
                                                                               Person hin zu einer Person im
                                                                               Schatten beschrieben und bei
                                                                               dem häufig auch der Selbstwert
                                                                               und die Identität in Frage gestellt
                                                                               wird. Das Karriereende nehmen
                                                                               viele Sportler*innen als große
            Innerhalb der durchschnittlich 15 Jahre andauern-  Lebensveränderung wahr und berichten in den
            den leistungssportlichen Karriere müssen die Ath-  ersten Monaten von einer mittelmäßigen bis hohen
            let*innen allgemeine Entwicklungsaufgaben mit den   Stressbelastung. Besonders bei Sportler*innen, die
            Anforderungen der sportlichen Karriere vereinbaren.   neben dem Leistungssport wenig andere Interessen
                                                               verfolgen, kann eine starke Identität als Athlet*in
            Das führt dazu, dass der sportliche Alltag der Athle-  einen negativen Einfluss auf die Qualität des Kar-
            tinnen und Athleten mit dem Berufsleben eines hoch-  riereübergangs haben und die Anpassungszeit ins
            rangigen Managers vergleichbar ist – und das meist   Leben ohne Leistungssport verlängern.
            schon in einem sehr frühen Alter. Wochenpläne sind
            mit Training, Lehrgängen, Wettkämpfen, Reisezeiten,   Besonders auffällig ist dieser Zusammenhang bei
            medialen Verpflichtungen und Schule oder Ausbil-   Sportler*innen, die verletzungsbedingt oder aus ge-
            dung eng getaktet, so dass objektiv wenig Spielraum   sundheitlichen Gründen aus dem Sport ausscheiden
            für soziale Kontakte, Hobbys und Entwicklungen im   müssen. Der Ausstieg aus dem Leistungssport kann
            außersportlichen Bereich besteht. Der Sport bzw. das   dann mit einem biographischen Bruch gleichgesetzt
            Sportsystem etabliert auf diese Weise Normen und   werden, wo noch nicht ausreichend Zeit war, den
            Werte, die sich stark auf die Identitäts- und Persön-  Anpassungsprozess zum Karriereende zu durchlau-
            lichkeitsentwicklung der Sportler*innen auswirken,   fen. Bei Athletinnen und Athleten, die bereits über
            was wiederum Einfluss auf die besonders sensible   ein Karriereende nachgedacht haben, zeigt sich die
            und komplexe Phase des Karriereendes eines Athle-  Situation etwas anders. Sie berichten von einer ge-
            ten oder einer Athletin haben kann.                ringer ausgeprägten Sport-Identität. Sie geben ihrer
                                                               zuvor zentralen Rolle als Athlet*in einen zunehmend
            Das Karriereende führt zu einer Vielzahl an Ver-   untergeordneten Stellenwert in ihrer Identitätenhier-
            änderungen für die Sportler*innen und ist ein      archie und erforschen neue mögliche Rollen. Somit
            entscheidender Wendepunkt im Leben vieler          erhalten sie sich ein Gefühl der Kontrolle über das
            Athlet*innen. Der größte Einschnitt entsteht durch   Karriereende, was sich positiv auf den Übergangs-
            den Wegfall von Trainingsstunden und Lehrgängen,   prozess auswirkt.



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