Page 21 - OSP Einblicke 1-2021
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BERLINER GESICHTER // Inga Böddeling
supersportliche
TEAM BERLIN TOKIO
zum Hören:
osp-berlin.de/podcast
Annika Schleu
Mit Corona im Nacken
Annika Schleu kommt frisch vom holen. Endlich wieder raus, endlich
Training zum Interview. 14 Kilo- wieder Bewegung, ein wenig Be-
meter Laufen im Olympiapark lastung für den geschundenen
standen auf dem Programm. Körper. „Irgendwann dachte
Die Haare sind noch nass, ich dann aber, wenn ich jetzt
die Wangen rot. Aber die noch langsamer fahre, dann
31-Jährige strahlt. So be- kipp ich um“, erzählt die
lastbar wie jetzt war die Leistungssportlerin, „und
Moderne Fünfkämpferin mein Puls war bei 156. Da
nicht immer in den vergan- habe ich mir dann schon
genen Monaten. Anfang März Gedanken gemacht, welche
war sie nach einem Test-Wett- Schäden geblieben sein könn-
kampf in Ungarn coronapositiv ten.“
getestet worden.
Unter ärztlicher Kontrolle ging es zu-
„Am Anfang war es ein Schock“, erzählt rück ins Training. Mittlerweile gibt es Tage,
Schleu. „Den ersten Nervenzusammenbruch hat- an denen sich Schleu fühlt wie vor ihrer Corona-
te ich auf der einen Seite des Wohnzimmers, mein Freund Infektion. Aber es gibt auch Tage, an denen sich das Trai-
stand auf der anderen Seite des Wohnzimmers und wuss- ning härter anfühlt als sonst. „Es ist wellenförmig“, sagt
te auch, dass er jetzt nicht mehr viel dichter an mich ran- sie. „Ich bin wirklich glücklich, ich kann voll belasten. Aber
kommt.“ Um keine Ansteckung zu riskieren, zog Schleu zu ich merke es schon noch. Ich fühle mich von der Lunge
ihren Eltern, die zufällig zur gleichen Zeit infiziert waren. und von der Herzfrequenz noch nicht hundert Prozent wie
vorher, aber es entwickelt sich in die richtige Richtung.“
In ihrer ganz eigenen Corona-Blase kamen und gingen
die leichten Grippe-Symptome, der Geschmackssinn Natürlich war die Angst groß, dass Corona ihr einen Strich
blieb und auch die Hoffnung, dass sich die Nachwehen durch die Olympia-Rechnung machen würde. Die Som-
und Langzeitfolgen in Grenzen halten. „Die Überraschung merspiele in Tokio sind nicht nur ihr großer Traum. Nach
kam, als ich meine Quarantäne beenden durfte“, sagt die dem vierten Platz in Rio 2016 soll es diesmal noch weiter
Berlinerin. nach vorn gehen. „Klar“, sagt Schleu, „das Ziel, das ich im
Kopf habe, wenn ich mich durch die harten Trainingsein-
Mit dem Fahrrad machte sie sich auf, um Brötchen zu heiten schinde, das ist die Medaille.“
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