Page 29 - OSP Einblicke 2-2022
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OSP MAGAZIN 2/2022







            Was spielte noch mit in Deine
            Entscheidung hinein, im April mit
            dem Profi-Sport aufzuhören?

            Ich wusste schon vor fünf, sechs
            Jahren, dass ich 2022 mit dem
            Leistungssport aufhöre, einfach
            weil ich diesen fixen Punkt brauch-
            te. Ich wollte nicht in die Verlegen-
            heit kommen, immer weiterzu-
            machen und dann meinen Zenit
            zu überschreiten, so dass dann
            jemand anderes mein Karriereen-
            de bestimmt oder ich unzufrieden
            gehe. Irgendwann reicht es nun
            mal nicht mehr für die National-
            mannschaft, den A-Kader oder
            was auch immer. Dass ich vor
            meinem Abschied noch eine Sil-
            bermedaille bei den Olympischen
            Spielen gewonnen habe, war natürlich perfekt. Ich   Wie war das Gefühl, zurück in Berlin zu sein?
            hätte aber auch ohne die Medaille mit dem Profi-
            Sport aufgehört.                                   Es war schon komisch, denn ich war seit 2013 in
                                                               Thüringen. Berlin hat sich in der Zwischenzeit natür-
            Jetzt studierst Du Psychologie. Ist es das Mentale,   lich verändert. Außerdem komme ich aus Berlin-
            das Dich reizt?                                    Reinickendorf und wohne jetzt in Tempelhof, was
                                                               ein ganz anderes Terrain ist und nicht mehr mein
            Das war sicherlich auch ein Grund, denn als Sport-  Kiez. (lacht) Aber zum Glück habe ich schneller als
            ler*in muss man sich sehr viel mit sich selbst be-  erwartet eine eigene Wohnung gefunden und richte
            schäftigen und über sich wissen. Kopf und Körper   mich gerade ein.
            müssen zusammenspielen. Ich fand es aber schon
            immer spannend, das menschliche Gehirn zu ver-     Der OSP Berlin ist für Dich jetzt auch wieder näher …
            stehen.
                                                               ... und ich bin ihm sehr dankbar. Der OSP hat mir ge-
            Bist Du trotzdem noch Sportsoldatin?               holfen, meinen Plan vom Studium umzusetzen. Klar,
                                                               ich hatte bereits einige Wartesemester, aber ich bin
            Nein. Ich war bis zum 30. September Sportsoldatin   auch ein paranoider Mensch. Ich versichere mich
            der Bundeswehr und bin nun aus der Sportförder-    gern doppelt und dreifach, dass das, was ich plane,
            gruppe raus. Da ich aber circa neun Jahre bei der Bun-  auch funktioniert! (lacht)
            deswehr war, werde ich noch über eine gewisse Zeit
            weiter von ihr finanziell unterstützt. Das ist natürlich   Wo befinden sich Deine Pokale und Medaillen?
            toll, um mich aufs Studium konzentrieren zu können.
                                                               Ich habe einige tatsächlich mit nach Berlin gebracht,
            Welches Ziel verfolgst Du mit dem Studium?         die meisten sind aber ohnehin noch bei meinen
                                                               Eltern im Safe. Da bin ich tatsächlich eher ängstlich,
            Ich möchte gern in den therapeutischen Bereich,    dass mit ihnen was passiert. Nach den Olympischen
            noch ist aber alles offen.                         Spielen nimmt man sie noch mit auf Reisen, weil man
                                                               ja stolz auf das Erreichte ist, aber dann müssen sie
            Hast Du noch Kontakt zu Deinem Bob-Team?           irgendwo sicher aufbewahrt werden.

            Natürlich. Man hat ja sehr viel Zeit miteinander ver-  Welche Träume sind jetzt noch offen?
            bracht. Es sind auch Freundschaften entstanden.
            Man bekommt noch vieles mit und wird vom BRC       Ich hoffe, dass ich mein Studium gut abschließen
            eingeladen. Und auch wenn es seltsam ist, nicht    kann und mir vieles ermögliche, auch privat.
            mehr dabei zu sein, möchte ich dranbleiben und
            mich ab und an bei ihnen blicken lassen.           Interview: Cäcilia Fischer



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