Page 42 - OSP Einblicke 1-2023
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Mehr Aufmerksamkeit für die
Besonderheiten in Betreuung &
Training von Sportlerinnen
Den weiblichen Zyklus offen zu thematisieren,
potentielle Zyklusprobleme in der Trainingsplanung
proaktiv anzusprechen und entlang des Zyklusver-
laufs nach Leistungsreserven zu suchen, ist bei
vielen unserer internationalen Wettbewerber bereits
gelebte Praxis. Langsam, und nicht zuletzt durch
medialen Druck, bekommt die Thematik auch im
deutschen Leistungssportsystem mehr Aufmerk-
samkeit. So wurde ihr in einer Ausgabe der Zeit-
schrift Leistungssport ein eigenes Themenheft
gewidmet. Und auch das Bundesinstitut für Sport-
wissenschaften unterstützt derzeitig Forschungs-
projekte, die helfen sollen, den Wissens- und
Praxisvorsprung unserer Wettbewerber in diesem
Bereich zu verkleinern. Hierzu gehört das Projekt
„Monitoring der Leistungsvariabilität der Ruderinnen
des Bundesstützpunktes Berlin entlang des Mens-
truationszyklus“ unter der Leitung von Professorin
Kirsten Legerlotz von der Humboldt Universität zu
Berlin (HU). Zusammen mit den Trainern und Sport-
lerinnen des Bundesstützpunktes gestaltete der
OSP Berlin von Anfang an aktiv mit.
Die Idee des Projekts war es, in der Vorbereitungs-
periode 2022/23 möglichst viele Sportlerinnen über
mindestens zwei bis drei Menstruationszyklen mit
einem engmaschigen Monitoring zu begleiten. Hier-
durch sollte festgestellt werden, bei welchen Sport-
lerinnen die individuelle Leistungsfähigkeit entlang ersten Datensichtung bei zwei Sportlerinnen im An-
des Zyklus messbar schwankt - und ob bei diesen satz Zyklus-bedingte Leistungsschwankungen in den
Sportlerinnen Kraft- und Ausdauerleistungsfähig- erhobenen Daten ausgemacht werden. Gleichzeitig
keit gleichermaßen durch den Zyklus betroffen sind. und etwas unerwartet wurde aber auch festgestellt,
Gerade die gleichzeitige Betrachtung von Kraft- und dass ein nicht unerheblicher Teil der Sportlerinnen
Ausdauerleistungsfähigkeiten war dabei der innova- Zyklus-bezogene Auffälligkeiten zeigte. Einige deuten
tive Ansatz des Projekts. auf den Beginn einer Dysbalance zwischen Bean-
spruchung und Erholung hin. Letztendlich wurde aber
Im Ganzen nahmen 14 Sportlerinnen an der Studie insbesondere durch die fast einjährige Dauer des
teil. Mehr als 40 Prozent davon nutzten hormonelle Projekts das Thema weiblicher Zyklus ein ständiger
Verhütungsmittel im Studienzeitraum. Insgesamt Gesprächsgegenstand am Ruderbundesstützpunkt in
konnten 1.100 Fragebögen, 243 Körperkompositions- Berlin, welches auch Fernsehteams von rbb und ZDF
messungen, 204 Ausdauertests mit den entsprechen- anzog. Es hat somit sicher geholfen, die Thematik im
den Pre- & Post- Speichelproben, 198 Sprung- und 192 Trainingsalltag grundsätzlich zu normalisieren sowie
Maximalkrafttests erfasst werden. Außerdem wurden allgemein mehr Aufmerksamkeit für die Besonder-
Körperkerntemperaturmessungen bei acht Sportlerin- heiten in Betreuung und Training von Sportlerinnen
nen gesammelt. Leider war es trotz dieser Datenmen- zu wecken.
ge nicht möglich, die angestrebte Anzahl von zwei bis
drei vollständigen Zyklen je Sportlerin zu beobachten. Eine finale Auswertung der Daten mit sensibleren
Doch auch trotz der deutlich geringeren Datendichte Modellierungsverfahren ist derzeit noch im Prozess.
wurden den Trainern und Sportlerinnen bereits im
direkten Anschluss an die Datenerhebung einige Dr. Nikolai Böhlke
wichtige Punkte mitgeteilt. So konnte bereits in der
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