Wie Sportlerinnen ihren Zyklus für ein effektives Training nutzen können
Die Berliner Ruderinnen nahmen an einer Studie teil, die vom OSP-Berlin, von Frau Prof. Dr. Kirsten Legerlotz (Humboldt-Universität zu Berlin) und vom Deutschen Ruderverband durchgeführt wurde.
Zielstellung des Projektes ist es anhand eines engmaschigen Monitorings zu identifizieren, bei welchen Ruderinnen eine erhöhte Leistungsvariabilität entlang des Menstruationszykluses vorliegt und somit die Berücksichtigung des Menstruationszyklus eine bisher vernachlässigte Leistungsreserve darstellen könnte. Auf Basis des Monitorings sollen spezifische Handlungsempfehlungen hinsichtlich der individuellen Trainingssteuerung erarbeitet werden.
„Wir untersuchen bei den Athletinnen, wie sich hormonelle Schwankungen – wie sie durch den Menstruationszyklus, aber auch in Abhängigkeit von hormoneller Verhütung auftreten – auf die Leistungsfähigkeit und die Trainierbarkeit auswirken“, erklärt Kirsten Legerlotz vom Institut für Sportwissenschaft an der Humboldt-Universität, die die dreimonatige Studie leitet. Begleiterscheinungen des Menstruationszyklus wie zum Beispiel Bauchkrämpfe oder Stimmungsschwankungen hat fast jede Frau schon erlebt. Die Symptome können vielfältig und sogar so stark ausgeprägt sein, dass Sport treiben oder arbeiten gehen gar nicht möglich sind. Laut einer SWR-Umfrage unter 700 Spitzensportlerinnen wird jede Zweite durch die Menstruation in ihrer Leistungsfähigkeit beeinflusst. „Daher besteht von Seiten der Athletinnen auch ein großes Interesse daran, das im Trainingsprozess besser zu berücksichtigen“, erklärt Legerlotz.
Auch Alyssa Meyer war sofort begeistert von der Studie. „Ich dachte, ich kann endlich mal meinen Körper besser kennenlernen“, berichtet die Ruderin. Bisher achten weder die Sportlerinnen noch die Trainer auf die Vereinbarkeit von Zyklus und Training. Eine interessante Beobachtung hat die 27-Jährige innerhalb ihrer Mannschaft aber gemacht: Die Zyklen der Frauen passten sich an, so dass „eigentlich fast alle zur gleichen Zeit ihre Tage haben.“
Einige Athletinnen, darunter auch Alyssa Meyer, spüren die Auswirkungen der Menstruation nur schwach. Andere wiederum leiden unter starken Symptomen – und das erschwert besonders bei einem Mannschaftssport die gemeinsamen Einheiten. „Wir fahren im Achter, da sitzen dann acht Frauen drin plus die Steuerfrau. Wenn dann drei oder vier Frauen solche Bauchkrämpfe haben, dann muss der ganze Achter irgendwann anlegen. Das ist dann nicht so gut für das Training“, berichtet die 27-Jährige und ergänzt: „Dann gibt es welche, die auch Tabletten schlucken mussten wegen der Schmerzen oder das Training nicht absolvieren konnten.“
Mit der Pille die Periode verschieben
Andere Athletinnen entscheiden sich für die Einnahme der Pille – nicht nur als Verhütungsmittel. „Ich habe jetzt immer die Pille genommen und habe es sehr kontrollieren können, auch für Wettkämpfe“, sagt Mannschaftskameradin Lisa Gutfleisch. Die 23-Jährige habe die Pille auch schon mal eine Woche länger genommen, um das Einsetzen ihrer Periode vor einem Wettkampf zu verzögern. Nun hat sie sie abgesetzt und ist gespannt, „wie viel sie an Schmerzen weggehalten hat oder an Leistungsfähigkeit“.
Ihr Wohlbefinden dokumentieren die insgesamt 14 Teilnehmerinnen täglich in einem Fragebogen, in dem sie unter anderem nach einem Aktivierungsmangel oder emotionaler Unausgeglichenheit befragt werden. „Das sind alles Dinge, von denen man weiß, dass sie sich innerhalb eines Zyklus ändern können“, erklärt Legerlotz. „Genauso wie Risikobereitschaft und Trainingsmotivation. Die beiden sind um den Eisprung herum am größten.“
Neben der Bioimpedanzmessung, bei der vor allem die Wassereinlagerungen, aus denen zum Beispiel ein Brustspannen resultieren kann, ausgewertet werden, sollte jede Athletin auch zwei Mal wöchentlich einen Kraft- und einen Ausdauertest absolvieren. Das insgesamt zehnköpfige Team der Studie ist jeden Tag mit zwei bis drei Mitarbeitern vor Ort, um alle Sportlerinnen zu betreuen.
Mehr Verletzungen in der ersten Zyklushälfte
Ein enormer Aufwand, der sich am Ende der Studie aber auszahlen soll. „Für die einzelne Athletin können wir dann gucken, wie Leistungsschwankungen auftreten und ob man die Trainingseinheiten daran anpassen kann“, so die Studienleiterin. Besonders bei Athletinnen, die nicht hormonell verhüten, seien Schwerpunkte innerhalb des Zyklus sinnvoll.
Dabei unterscheidet man in zwei Phasen: eine vor und eine nach dem Eisprung. In der ersten Hälfte, das haben die – wenn auch noch übersichtlichen – bisherigen Studienergebnisse gezeigt, würden beispielsweise mehr Verletzungen auftreten. „Man ist zunächst davon ausgegangen, dass es eine direkte Folge von höherer Gelenksbeweglichkeit oder weicher werdendem Bindegewebe ist. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass es da keinen kausalen Zusammenhang gibt“, so Legerlotz. „Meine persönliche Vermutung ist, dass diese erhöhte Verletzungsanfälligkeit auch Folge einer Verhaltensänderung sein kann, weil Frauen um die Ovulation herum tendenziell risikobereiter sind.“
Sportliche Herausforderungen rund um den Eisprung angehen
Eine Begleiterscheinung, die Athletinnen durchaus auch positiv für das eigene Training nutzen können. „Alles, was besonders schwierig oder herausfordernd ist, könnte man tendenziell planen, eher in dieser Phase durchzuführen“, rät die Sportwissenschaftlerin. Auch der Muskelaufbau sei in der ersten Zyklushälfte besser, wobei das von Athletin zu Athletin unterschiedlich sein könne. Bei der Auswertung der Daten stehen daher auch nicht die Mittelwerte, sondern die individuellen Ergebnisse im Fokus.
Nach etwas mehr als einem Monat kann Professor Legerlotz aber noch keine Erkenntnisse aus den Daten für die einzelnen Athletinnen ableiten. Mindestens drei Zyklen braucht es dafür, denn „Schwankungen, die innerhalb eines Monats auftreten, können auch durch andere Variablen beeinflusst sein, zum Beispiel, wenn man schlecht geschlafen hat oder eine harte Trainingseinheit absolviert hat.“
Auch Trainer wollen den Zyklus berücksichtigen
Ein Effekt lässt sich trotzdem schon erkennen. Denn: Eine Studie wie diese sorgt dafür, dass ein so sensibles Thema wie der weibliche Zyklus mehr Aufmerksamkeit bekommt. Zwar nehmen die Trainer schon jetzt Rücksicht darauf, wenn die Ruderinnen wegen zyklusbedingter Beschwerden nicht wie geplant trainieren können, viel gesprochen wurde über das intime Thema aber nicht.
Eine Frage, berichtet Studienleiterin Kirsten Legerlotz, stellen die Athletinnen ihr daher auch besonders oft: Wie sollen die Trainer das nach der Studie umsetzen? „Meine Antwort darauf ist: Wir sprechen dann darüber. Man kann auf jeden Fall eine Lösung finden und die Tatsache, dass wir jetzt diese Studie machen und die Trainer dafür auch ein Zeitfenster im Trainingsablauf eingeräumt haben, zeigt ja auch, dass von dieser Seite der Wunsch da ist, das zu berücksichtigen.“
Quelle: DRV & www.sportschau.de