Mit viel Disziplin, Fleiß und Ehrgeiz hat Martin Häner, Kapitän der deutschen Hockey-Nationalmannschaft, parallel zu seiner sportlichen Karriere den Doktorgrad in der Medizin erlangt. Jetzt setzt er als Assistenzarzt zumindest bis zur Weltmeisterschaft im Dezember seine Duale Karriere fort.
Eigentlich hätte Martin Häner im vergangenen Winter mal eine Pause machen können. Keine hunderte von E-Mails mehr an das Lehrsekretariat der Berliner Humboldt-Universität schicken, um Kurse zu verschieben, keinen Semesterplan ausklügeln, um Sport und Ausbildung unter einen Hut zu bringen. Denn im November hatte der Olympiasieger sein Medizinstudium nach siebeneinhalb Jahren abgeschlossen. „Du hast doch jetzt Zeit“, hätte er oft zu hören bekommen. Doch auch nach dem Studium gab es Formulare auszufüllen, Ämtergänge zu erledigen für seinen ersten Job als Assistenzarzt in der Orthopädie & Unfallchirurgie im Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin-Wilmersdorf, den er im April antrat.
Erstmals Zeit für Hallen-Weltmeisterschaft
Und dann ist da natürlich immer noch Hockey. Das erste Mal seit vielen Jahren nahm Martin Häner an der Hallensaison teil. Jahrelang hatte er für Hockey unterm Dach keine Zeit. Obwohl es ihm die Indoor-Variante seines Sports gut gefällt: „Da ist die Stimmung besser, und es passiert viel mehr“, sagt er. Doch im Februar standen immer Klausuren an, und ohnehin war der Winter die Phase, in der er Kurse aus dem Sommer nachholen musste. Diesen Winter aber spielte er erst in der Bundesliga mit seinem Berliner HC und anschließend bei der Hallen-Weltmeisterschaft in Berlin, wo die „Honamas“ in einem dramatischen Finale im Penaltyschießen gegen Österreich verloren. „Wir haben nicht unser bestes Spiel gemacht und im Finale muss man das beste Spiel machen. Die Niederlage haben wir uns selber zuzuschreiben“, kommentiert Kapitän Häner das Abschneiden.
Studium statt Playstation
Das Thema seiner Promotion, die er summa cum laude abgeschlossen hat, klingt einfach zu schön, um es hier wegzulassen: „Revisionskonstruktionen des vorderen Kreuzbandes: Autologe ipsilaterale Quadriceps- vs. kontralaterale Semitendinosus-Gracilis-Sehne“. Zugrunde liegt eine klinische Studie am Martin-Luther-Krankenhaus.
All die Jahre ist sein Medizinstudium mit auf Hockey-Reisen gegangen, hat er gebüffelt, um dranzubleiben. Auch viele Seiten seiner Doktorarbeit hat er geschrieben, wenn mal ein paar Stunden frei waren. Playstation gab’s nicht.
Häner ist ein sehr fleißiger Mensch. Seine Zielstrebigkeit ist beispielhaft, sein Motto: „Wenn ich etwas mache, dann richtig.“ Nach dem Abitur spielte er eine Saison in England – weil er die Sprache perfekt lernen wollte.
Als er in Berlin keinen Studienplatz bekam mit seinem Abi-Durchschnitt von 1,6, begann er eben in Würzburg. An den Wochenenden trat er dennoch für den BHC an, Angebote westdeutscher Klubs lehnte er ab, trotz finanzieller Anreize. Nach einem Semester war der Stress vorbei, und er siedelte zurück nach Berlin. Seinen Verein zu verlassen, kam nie in Frage. Es ruhiger angehen zu lassen, auch nicht.
Über den sportbegeisterten Mentor zum Doktorvater
„Ich hab nie von ihm gehört: Ich schaff das nicht. Martin ist eine Sensation“, sagt Andree Ellermann. Vier Jahre lang war der Direktor der Arcus Klinik Pforzheim Häners Mentor, vermittelt über die Deutsche Sporthilfe und ihrem Partner Werte-Stiftung, die in ihrem Mentoren-Programm Top-Athleten mit beruflichen Sparringspartnern zusammenbringt, um von deren Erfahrung und Netzwerk zu profitieren.
Auch nach dem Studium besteht der Kontakt weiter – sowohl beruflich als auch privat. Zuletzt trafen sie sich bei der Hallenhockey-Weltmeisterschaft im Februar, wo Ellermann Halbfinale aund Finale verfolgte.
Andree Ellermann, selbst großer Sportfan und Kurator der Deutschen Sporthilfe, half etwa bei der Suche nach einem Praktikumsplatz in einer Schweizer Spezialklinik, überzeugte den Berliner Kniespezialisten Wolf Petersen, einen sportbegeisterten Professor am Martin-Luther-Krankenhaus, Häners Doktorvater zu sein. „Und manchmal habe ich einfach meinen Senf dazugegeben, wenn was anlag. Aber Martin ist als Sportler wie in der Ausbildung herausragend.“
Hockeyspieler auf der Titelseite der FAZ
Der Antrieb des jungen Mannes? Ellermann nennt es so: „Leidenschaft!“ Als erster wurde der Berliner 2013 von Deutsche Sporthilfe und Deutsche Bank zum Sport-Stipendiat des Jahres ausgezeichnet, erhielt dafür 18 Monate lang 600 Euro monatlich – zusätzlich zur normalen Förderung durch die Deutsche Sporthilfe. „Das war eine große Hilfe“, sagt Häner, „aber fast noch mehr wert war für mich die Anerkennung.“ Reichtümer sind mit seinem Sport sowieso nicht zu verdienen. Aber wann landet ein Hockeyspieler wie er schon mal auf der Titelseite der „FAZ“?
Sich mit den Besten messen ist sein Antrieb. Das nächste sportliche Ziel ist die Feldhockey-Weltmeisterschaft im Dezember 2018 in Indien, dieser Titel fehlt in seiner ansonsten kompletten Sammlung. Die Deutsche Sporthilfe begleitet ihn dabei mit der Top-Team Förderung und der Mercedes-Benz Elite-Förderung.
Für die Zeit danach will Häner sich (noch) nicht festlegen: Die nächsten Monate werden zeigen, wie sich Arbeits- und Trainingsbelastung in Einklang bringen lassen. Zumal die Beanspruchung im Krankenhaus eine neue ist: „Wenn ich das Studium hab schleifen lassen, gab es eine schlechte Note. Aber jetzt geht es um Menschen und deren Gesundheit.“
Nächste Herausforderung in Sachen Zeitmanagement
Bislang beschränken sich seine Arbeitszeiten auf den Frühdienst. Das frühmorgendliche Athletiktraining verschiebt sich dadurch auf das Zeitfenster zwischen Dienstende und Trainingsbeginn beim BHC. Dort nimmt er teilweise bis 22 Uhr am Trainingsbetrieb teil und kann am Wochenende in der Bundesliga spielen. Dennoch: Viel Freizeit neben Job und Hockey bleibt nicht. Die nächste Herausforderung in Sachen Zeitmanagement sieht Martin Häner bereits auf sich zukommen. „Nach der Einarbeitung im Krankenhaus kommen im Laufe des Sommers auch Nacht- und Wochenenddienste hinzu.“
Glücklicherweise unterstützt sein Doktorvater und jetziger Chef Prof. Dr. Wolf Petersen die sportlichen Ambitionen des jungen Mediziners. Häner ist für Lehrgänge und Spiele der Nationalmannschaft freigestellt. Die Deutsche Sporthilfe gleicht die Fehlzeiten durch die Zahlung einer Verdienstausfallerstattung aus. Dass seine Abwesenheiten von seinen Kollegen aufgefangen werden müssen, dessen ist sich der Hockey-Kapitän bewusst. „Ich bin sehr dankbar, dass ich dort auf Verständnis und Akzeptanz treffe.“ Ohne das ginge es wohl auch nicht.
Quelle: Dietmar Wenck, Berliner Morgenpost; ergänzt von Deutsche Sporthilfe)
Foto: Dirk Markgraf