Das Fachsymposium „Ich kann Studium!“

17. Oktober 2017 | Allgemein

Abschlüsse müssen immer auch Anschlüsse sein!
Das Fachsymposium „Ich kann Studium!“ thematisierte die Vereinbarkeit von Studium und Spitzensport

Erfolge im Spitzensport können gelingen, wenn das dafür nötige Umfeld „stimmt“. Wer Bestwerte und Medaillen will, braucht „passende“ fachliche, medizinische, finanzielle Unterstützung und selbstverständlich auch berufliche Wegbegleiter, die sportliche Höchstleistung und persönlichen Werdegang miteinander in Einklang bringen.
Nach den Konferenzen „Ich kann Trainer!“ (2011) und „Ich kann Gold!“ (2014) setzte das Berliner Institut für Leistungssport & Trainerbildung (ILT) der Hochschule für Gesundheit & Sport, Technik & Kunst (H:G) die gemeinsam mit dem Olympiastützpunkt Berlin (OSP) konzipierte und in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführte Fachtagung „Ich kann Studium!“ diese Vortrags- und Diskussionsreihe Ende September 2017 fort. Im Sinne einer dualen Karriere stand diesmal die Vereinbarkeit von Spitzensport und Studium für Kaderathleten im Fokus der Veranstaltung.

ILT-Direktor Prof. Dr. Jochen Zinner und Andreas Hülsen (Laufbahnberater am OSP Berlin) begrüßten dazu über 60 Akteure aus Spitzensport, Wissenschaft, Hochschulsport und Sportpolitik, u.a. von verschiedenen Olympiastützpunkten, Fachverbänden, Universitäten und Hochschulen, des Berliner Senates sowie der Bundeswehr. Olympiasieger, -medaillengewinner und -teilnehmer von gestern, heute und „morgen“ wie Andreas Kuffner (Rudern), Samuel Schwarz (Eisschnelllauf), Imke Duplitzer (Fechten), Maria Kurjo (Wasserspringen), Tim Matthes (Handball) oder Ole Braunschweig (Schwimmen) brachten ihre Athletensicht der Dinge anhand ihrer Karrierewege auf dem Podium und aus dem Publikum heraus in die Diskussion ein.

Zunächst – als ersten Aufschlag – erörterte Dr. Harry Bähr (Leiter des OSP Berlin) unter dem Motto: „Der Weg in die Hochschule“ die systematische sowie engmaschige Betreuung Berliner Athleten bei der Studienfachwahl durch die Laufbahnberatung am OSP und die Spitzensportbeauftragten der Hochschulen. Dabei wies er auf die Herausforderungen hin, die sich für alle daran Beteiligten aus der aktuellen Leistungssportreform ergeben und betonte die Wichtigkeit eines über eine „Profilquote Sport“ optimierten Hochschulzuganges für Kaderathleten. Mit Ergebnissen eines Projektes an den drei Berliner Eliteschulen des Sports lenkte Andreas Hülsen anschließend den Blick auf den Studienentscheidungsprozess der „Olympiasieger von übermorgen“. Fast die Hälfte aller dortigen Schüler äußerte schon konkrete Vorstellungen über ihr gewünschtes Studienfach; fast ein Drittel zumindest eine erste Tendenz. Besonders gefragt: Betriebswirtschaftslehre, Psychologie, Rechtswissenschaften und Sport mit Lehramtsoption, aber auch Verfahrenstechnik, Verkehrswesen oder Architektur. Eine kurz vor der Tagung durchgeführte Stichprobe im Abiturjahrgang 2018 des Berliner Schul- und Leistungssportzentrums untermauerte die Bandbreite des Studieninteresses und somit die Bedeutung des Übergangsmanagements an der Schnittstelle Eliteschule des Sports – Universität / Hochschule. Hülsen dazu: „Abschlüsse für Spitzensportler müssen immer auch Anschlüsse sein!“

Diesen Gedanken nahm Andreas Mues, Kanzler der H:G, in seinen Ausführungen zu ethischen Aspekten der Talentförderung auf und verwies auf moderne Studienformate u.a. am H:G-Institut für Leistungssport & Trainerbildung, die semivirtuelle Lernkonzepte und universitäre Präsenzphasen (Blendend-Learning) miteinander kombinieren. „Wenn Abschlüsse wirklich Anschlüsse sein sollen, sollte man im Sinne der dualen Karriere innovative Studienformate aktiv nutzen und im leistungssportlichen Kontext proaktiv gestalten“, so Mues.

Während Prof. André Schneider (Hochschule Mittweida) das Thema Studienwahlentscheidung mit einem intensiv diskutierten Verlaufsmodell ergänzte, konzentrierte sich Wirtschaftspädagoge Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen van Buer (Humboldt Universität zu Berlin/HU) auf die Bedürfnisse studierender Leistungssportler. Mit seinem Beitrag erläuterte er ihre Studieninteressen, ihr Lebens- und Kohärenzgefühl sowie die von ihnen wahrgenommene Unterstützung im OSP und an der HU, wobei er sich auf eine an der HU von Andy Borchert (vormals HU-Projektkoordinator Spitzensport) und Hülsen durchgeführte Untersuchung stützte. „Vor allem strukturelle Veränderungen an Universitäten / Hochschulen machen rechtliche Rahmenbedingungen zur Flexibilisierung von Studium für zahlreiche Studierendengruppen und somit auch für den Leistungssport erforderlich“, so Prof. van Buer. Herausgearbeitet wurden auch die Nachteile, die sich im Bezug auf den verspäteten Berufseinstieg eben für die Lebensverläufe von Sportler*innen ergeben. Sein Zwischenfazit: Für die befragten Spitzensportler*innen ist der Fakt, simultan zu ihrem Eingebunden-Sein in den Spitzensport studieren zu können, absolut wichtig. Sie studieren primär aus intrinsischem Studieninteresse heraus. Zusätzlich zeigte Prof. van Buer auf, dass im Urteil der Befragten über die Wahl des Studiums der Unterstützung durch die Familie bzw. durch Freunde eine dominante Rolle zukommt. Damit wird sichtbar, welch zentrale Rolle dieser Bereich im Gesamtbereich der den Spitzensportler*innen verfügbaren sozialen Ressourcen spielt. Hier zeigt sich ein ähnliches Bild, wie es in den einschlägigen Studien zur Studienwahl, die aus der Hochschulforschung vorliegen, durchgängig aufscheint.

Anschließend rückte Prof. Dr. Thomas Borchert (Universität Leipzig) pädagogisch geschickt im Rahmen eines Podiumsgespräches Athleten mit unterschiedlichem Ausbildungsstatus in den Mittelpunkt. So diskutierten u.a. Maria Kurjo (derzeit im Rahmen ihres Studiums Hospitantin am ILT) und Olympiasieger Andreas Kuffner unter der Fragestellung „Was muss sich verändern?“ die zuvor von Dr. Sven Baumgarten ganzheitlich und eindrucksvoll noch einmal aus Sicht des DOSB dargestellten aktuellen Herausforderungen unter dem Motto „mögliche und unmögliche Rahmenbedingungen“. In der lebhaften Debatte sowohl zwischen den Vorträgen als auch zum Abschluss wurde die hohe Motivation der Konferenzteilnehmer deutlich, den Athleten möglichst optimale Rahmenbedingungen für größtmöglichen Erfolg in ihren beiden Lebenswelten – Leistungssport und Ausbildung – zu verschaffen. Ein „Wettbewerb zweier Karrieren“ soll vermieden, ein sich ergänzendes Miteinander positiv gestaltet werden – egal ob parallel oder zeitversetzt. Einige Teilnehmer erklärten sich bereit, die Ergebnisse der Konferenz zusammenzufassen und für die weitere Diskussion zwischen den beteiligten Institutionen aufzubereiten, um den konstruktiven Dialog der Tagung fortzusetzen.

 

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