Frithjof, Du hast Historisches geleistet, indem Du 2023 in Krakau mit dem deutschen Team als erster Mann bei einer kontinentalen Meisterschaft eine Medaille gewonnen hast: EM-Silber in der Disziplin Synchronschwimmen Mixed freie Kombination. Dafür bekamst Du im Dezember 2023 auch den Sonderpreis der Sportmetropole Berlin. Was war das für ein Gefühl und wie ist es Dir seither ergangen?
Beide Events bedeuten mir persönlich sehr viel und waren deswegen auch sehr emotional für mich. Die Medaille ist Belohnung für viele harte Jahre im Leistungssport – nicht nur im Synchronschwimmen, sondern auch die ganzen Jahre im Wasserspringen. Dass meine Leistung mit dem Sonderpreis gewürdigt wurde und dieser sonst eher weniger populäre Sport entsprechende Aufmerksamkeit bekommt, erfreut mich besonders. Es zeigt, dass unsere Mühen und unser Fortschritt nicht unbemerkt bleiben und gibt mir Hoffnung, bei den kommenden Herausforderungen auch gut unterstützt zu werden.
Du warst lange Wasserspringer beim TSC Berlin. Wieso hast Du Dich 2021 für das Synchronschwimmen beim SC Wedding entschieden?
Ich hatte Erfolge, merkte aber irgendwann, dass ich auf der Stelle trete und es mich nicht mehr so glücklich macht. Es hat mich eher frustriert, vieles fühlte sich am Ende auch wie eine Tortur an. Natürlich habe ich versucht, mit dem damaligen Bundestrainer, dem Stützpunkttrainer Christoph Bohm und der Sportpsychologin Monika Liesenfeld vom OSP eine Lösung zu finden. Als das aber nicht half, beschloss ich, die Saison zu Ende zu bringen und dann mit dem Wasserspringen aufzuhören. Leider kam die Corona-Pandemie dazwischen und der Plan, die EM 20/21 mitzumachen, ging nicht auf. Und dann meldete sich während des Abtrainierens Synchronschwimmerin Michelle Zimmer bei mir. Wir kannten uns von der EM 2016, bei der die Disziplinen Synchronschwimmen, Schwimmen, Wasserspringen und High Diving zusammen an einem Ort stattfanden. Wir haben uns gut verstanden, kommen beide aus Berlin, studieren an der TU und waren dadurch in losem Kontakt. Sie meldete sich bei mir mit der Frage, ob wir nicht beim Wasserspringen Nachwuchs hätten, der aufhören will, da sie dringend männliche Synchronschwimmer suchten. Bei den Jüngeren gab es keinen, ich selbst war aber am Abtrainieren und habe drüber nachgedacht, ob es vielleicht auch was für mich wäre. Zusammen haben wir das dann probiert – und schon war ich dabei.
Du bist erst einmal in die Kindergruppe gekommen, um die Grundlagen zu erlernen, richtig?
Genau. Ich habe viel mit den ganz Kleinen trainiert, aber auch oft zusätzlich eine Einzelbetreuung erhalten, was mir sehr geholfen hat. Die Kombination hat bedingt, dass es ziemlich schnell bergauf ging. Ich habe dann relativ früh mit dem ältesten Team trainieren dürfen, was ebenfalls gut für mich war.
Zu dem Zeitpunkt war aber noch nicht klar, wann Männer auch in internationalen Teamwettbewerben starten dürfen. Wie hast Du darüber gedacht?
Tatsächlich dürfen Männer seit 2015 bei den Weltmeisterschaften starten, aber nur im gemischten Duett. 2017 war dabei der erste deutsche Mann am Start, Niklas Stoepel. Er ist aber nur diese Weltmeisterschaft geschwommen, um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen, und hat dann nach vielen, vielen Jahren in diesem Sport aufgehört. Michelle hatte ebenfalls mit dem Gedanken gespielt, mit dem Leistungssport aufzuhören, dann aber die Chance gesehen, im gemischten Duett wieder auf ein hohes internationales Niveau zu kommen. Deswegen war die Intention erst einmal nur, im gemischten Duett zu schwimmen. Als dann die Männer auch solo und im Team schwimmen durften, änderte sich unser Fokus.
Wie waren die ersten Reaktionen im Freundeskreis, in der Familie und sonst auf Deine Entscheidung, Synchronschwimmer zu werden?
Die allererste Reaktion war die Frage, ob ich, wenn ich eigentlich mit dem Leistungssport aufgehört habe, wirklich noch einmal dahin will. Zu 70 oder 80 Prozent ist Leistungssport ja eher belastend, auch wenn die schönen Momente das natürlich wieder wettmachen. Von Sportlern habe ich auf alle Fälle Respekt dafür erhalten, wieder auf hohem Niveau trainieren zu wollen. Die Wasserspringer freuten sich, dass wir uns weiterhin sehen. Die Freundschaften sind auch geblieben. Alles in allem waren die Reaktionen positiv und vielleicht nur ein bisschen mit Verwunderung gespickt, weil der Sport bei Männern eben noch nicht so populär ist.
Du hast es auch bis heute nicht bereut, oder?
Auf keinen Fall!
Hast Du Kontakt zu anderen männlichen Synchronschwimmern?
Es gibt noch einen echt guten Synchronschwimmer in München, der bei der Jugendeuropameisterschaft gestartet ist. Mit ihm bin ich auch befreundet. Ansonsten tauscht man sich international aus, denn die sind super offen. Es ist tatsächlich so, dass man bei den reinen Frauen-Duetts eher eine angespannte Stimmung wahrnimmt zwischen den Teams. Da herrscht viel Konkurrenzkampf. Bei gemischten Duetten ist das ganz anders. Wenn man da bei einem internationalen Wettkampf ist, wird man offen angesprochen, man zeigt Interesse, da ist das Umfeld sehr entspannt und neidlos.
Du hast als Leistungssportler einiges mitgebracht: Disziplin, Ehrgeiz, Teamgeist etc. Was hast Du speziell vom Wasserspringen mitgebracht, Akrobatik oder Turnelemente?
Jetzt im Team profitiere ich natürlich sehr von meiner Kraft, das ist mein großes Plus zum Beispiel im Vergleich zu den Mädels. Ich habe vom Wasserspringen auch ein gutes Körpergefühl mitgebracht und viel Körperspannung. Man merkt natürlich Unterschiede zum Beispiel im Vergleich zu dem Münchner Schwimmer, der keine Vorerfahrung im Leistungssport hatte. Ich habe das Glück und kann relativ schnell Bewegungen aufnehmen und mit einem gewissen Ausdruck wiedergeben. Durch die guten Strukturen, die wir im Wasserspringen hatten, habe ich gemerkt, wie Leistungssport funktioniert, was es mit mir macht und wie ich mit meinem Körper sorgsam umgehe.
Was ist beim Synchronschwimmen definitiv anders als beim Wasserspringen?
Bei den Springern ist das Wasser wärmer! (lacht) Wenn wir bei den Schwimmern trainieren, dann sind es so um die 26 Grad. Das kann dann schon mal recht frisch werden, gerade wenn man Techniktraining macht, denn da bewegt man sich nicht ganz so aktiv. Wenn man über drei bis vier Stunden im Wasser trainiert, merkt man jedes Grad.
Als Mann frierst Du aber etwas weniger als Frauen.
Der Körperbau macht tatsächlich einen Unterschied aus beim Synchronschwimmen. Im Synchronschwimmen sieht man auch ganz verschiedene Körpertypen. Die Männer sehen international mit ihren langen und eleganten Körpern oft wie Balletttänzer aus. Sie sind oft die, die mit sechs, sieben Jahren mit dem Synchronschwimmen angefangen haben und allein deshalb schon näher an den weiblichen Schwimmerinnen dran sind. Ich bin dagegen eher muskulös und kräftig, was ein Vor- und ein Nachteil sein kann. So oder so geht es darum, bei einer Kür Geschichten zu erzählen. Und das kann Mann und Frau mit jedem Körperbau.
Du wirst von einer Frau trainiert, Stephanie Marx. Gab es auch die Option, einen Trainer zu bekommen, oder gibt es im Synchronschwimmen nur Frauen?
Ich kenne tatsächlich in Deutschland nur einen Trainer im Synchronschwimmen. Ich glaube, die Kanadier haben einen männlichen Bundestrainer. Ansonsten ist das Synchronschwimmen eher von Frauen dominiert, was ich aber angenehm finde. Im Wasserspringen waren es mehr männliche Trainer. Es würde mich natürlich freuen, wenn sich mehr Männer für Synchronschwimmen interessieren. Auf meinem Niveau trainieren wenige. Ich kenne vier oder fünf deutsche Synchronschwimmer, für die ist das aber mehr oder weniger ein Hobby.
Wie oft und wie intensiv trainierst Du neben Deinem Studium der Raum- und Luftfahrtechnik?
Beim Synchronschwimmen passt man das Training den Belastungsphasen an seitens des Sports, aber auch seitens der Uni. Wenn da Klausuren anstehen, gehe ich vielleicht nur zwei oder drei Mal zum Training. Ansonsten trainiere ich acht Mal in der Woche. Am härtesten sind die Trainingslager, weil wir da acht Stunden im Wasser und ein zwei Stunden täglich an Land ackern. Das ist natürlich temporär und geht vielleicht fünf Tage.
Wie steht es aktuell um Dein Studium?
Ich studiere seit 2017 und kümmere mich gerade um meine Bachelor-Arbeit, die sich in den Endzügen befindet. Akademisch möchte ich unbedingt noch einen Master anschließen und dann schaue ich, wie sich mein Leben sportlich entwickelt. Vielleicht kann ich irgendwann eine Werkstudentenstelle mit einbauen. Das hängt aber auch davon ab, wie ich mich sportlich entwickle und wie sich der Sport allgemein entwickelt.
Was bedeuten Dir die Olympischen Spiele 2024? Für Berliner Sportler*innen sind im Synchronschwimmen zwei Startplätze vorgesehen.
Bei Olympia gibt es im Synchronschwimmen nur zwei Disziplinen, einmal das Frauen-Duett und einmal das Team. Bei letzterem müssen drei Küren geschwommen werden, bei der WM 2023 waren wir aber nur mit zwei Küren vertreten. Das heißt, da müsste noch eine dritte Kür aufgebaut werden. Dass wir das auf dem Niveau schaffen, das notwendig ist für einen Quotenplatz, sehe ich kritisch. Wir trainieren zudem nicht zentralisiert, das heißt, die Mädels sind in ganz Deutschland verteilt. Bei uns wurden im Vergleich zu den letzten Spielen zwei Plätze gestrichen, d.h., es dürfen 2024 nur zehn Teams an den Start gehen. Fünf werden allein durch Kontinentalplätze vergeben. Realistisch gesehen besteht keine Chance, dass wir nach Paris fahren.
Und was heißt das für Dich – hoffen auf die übernächsten Spiele? Hast Du dahingehend Visionen?
Ich liebäugle tatsächlich damit, auch weil noch nicht ganz raus ist, ob es 2028 eventuell zusätzlich ein gemischtes Duett geben wird. Ich habe den Traum noch nicht aufgegeben.
Du bist mit 26 Jahren ja auch noch recht jung.
National habe ich so oder so eine Vorreiterrolle, weshalb das Alter zweitrangig ist. International werde ich wohl eher von Schwimmern verdrängt, die das Synchronschwimmen seit ihrer Kindheit betreiben. Da wird das Niveau in vier Jahren insgesamt noch höher sein. Aber ich entscheide, wenn es soweit ist.
Hast Du ein Hobby, das Dich neben den Uni- und Sportanstrengungen entspannt?
Vor einem dreiviertel Jahr hat mir eine Synchronschwimmerin Stricken beigebracht. Im Alltag brauche ich das weniger, aber bei Wettkämpfen oder auf Lehrgängen hilft es mir ganz gut dabei, abzuschalten.
Man könnte Dir unterstellen, dass Dich die Mädels im Team im Griff haben, denn Synchronschwimmen und Stricken ist für viele eher eine „Frauensache“.
Der britische Wasserspringer Tom Daley ist damit super bekannt geworden, dass er gestrickt hat, deswegen sehe ich das entspannt. Für die Mädels im Team bin ich wie der große Bruder, im Griff haben die mich nicht. (lacht)
An der kommenden WM ab 2. Februar in Doha werde ich leider nicht teilnehmen, da Michelle zum Jahresende 2023 ihren Rücktritt aus dem Synchronschwimmen verkündet hatte und wir bisher keine andere Schwimmerin für ein Duett gefunden haben. Der nächste Wettkampf wird die DM am 23./24. März sein, und ein weiteres Ziel für die Saison ist auf jeden Fall die EM vom 10. bis 14. Juni in Belgrad im freien Solo und mit dem Team. Hinsichtlich meiner Teilnahme bei den World Cups vom 5. bis 7. April in Peking haben wir noch keine Entscheidung getroffen.