Elena Krawzow über ihre Gedanken in der Corona-Krise

31. Juli 2020 | Allgemein

Diese Quälerei! Wie habe ich sie gehasst! Normalerweise wäre ich jetzt, während ich dies schreibe, im Höhentrainingslager. Alles geben für die Paralympics. Ich hatte große Ziele für Tokio, war gut drauf, ich wollte, dass 2020 mein Jahr wird.

Die Absage kam nicht überraschend. Man hat es ja geahnt. Mit gesundem Menschenverstand ist das alles verständlich und natürlich auch richtig. Aber als Sportlerin? Als die Verschiebung ganz offiziell war, bin ich schon in Schockstarre verfallen. Ich hatte andere Pläne.

Und jetzt bin ich, ehrlich gesagt, ziemlich planlos. Ich fühle mich nicht richtig „sortiert“. Als Sportlerin lebt man mit und in einem Zeitplan. Ich wusste immer, was ich machen muss, wasin zwei Wochen ansteht und welcher Wettkampf in zwei Monaten wartet. Und jetzt? Wie geht es weiter? Und wann?

Wir hatten das große Glück, dass ich die ganze Zeit trainieren konnte, meistens sogar im Wasser. Dank einer Sondergenehmigung des Senats. Das hat mir Halt gegeben. Trotzdem gab und gibt es auch im Training Unsicherheiten. Was geht denn nun? Was darf man?

Auch die Pläne abseits des Sports lassen sich nicht verwirklichen. Nach meinem erfolgreichen Abschluss zur Physiotherapeutin wollte ich eigentlich nach Tokio meine Prüfung in manueller Therapie machen. Doch das kann ich nicht vorziehen, die Schule ist jetzt zu. Und meine Familie in Kasachstan, die ich so lange nicht gesehen habe, kann ich auch nicht besuchen. Die Lage dort ist viel schlimmer als bei uns. Keiner darf rein oder raus.

Zum Glück stehen meine Sponsoren und Unterstützer weiter zu mir, begleiten mich auf dem Umweg nach Tokio. Doch einige der Unternehmen machen Kurzarbeit. Können sie mich auch in Zukunft unterstützen? Ehrlich gesagt, mache ich mir da große Sorgen und habe manchmal Existenzängste.

Doch wir haben ja alle zu kämpfen. Jeder auf seine Weise. Also versuche ich, die positiven Dinge zu sehen.
Jetzt haben wir zum Beispiel Zeit, im Training intensiv an meinen Schwächen zu arbeiten, die Explosivität und Sprungkraft stehen im Fokus. Das wäre in normalen Zeiten gar nicht möglich gewesen.

 

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